Heinkel-Flugzeugwerke
Der historische Hintergrund, der den Bau des Heinkel-Flugzeugwerkes am Standort Oranienburg begründet, war geprägt durch die Forderung des Reichsluftfahrtministeriums (RLM) nach einem höheren Produktionsausstoß von mittleren Bombenflugzeugen des Typs He 111, die als Standardbomber der 1. Generation galten. Erste Gedanken, dieses Flugzeugwerk in der Nähe des Stammwerkes in Rostock- Marienehe zu errichten, scheiterten an den unter den Bedingungen eines Luftkrieges vorgeschriebenen Bau- und Planungsrichtlinien des RLM. Entzerrung der Produktionsstandorte forderten die verantwortlichen Militärplaner.
Das neue Flugzeugwerk unter dem Mantel einer Ernst Heinkel GmbH geplant, wurde weitestgehend durch das Reichsluftfahrtministerium finanziert. Das Stammkapital auf fünf Millionen Reichsmark fixiert, lag zu 97 % in den Händen des RLM. Der Gesellschafteranteil von 3 % (150.000,00 RM) wurde Ernst Heinkel auf der Grundlage seiner Verdienste bei der Flugzeugentwicklung in Deutschland unter der Maßgabe zugewiesen, dass das neu zu errichtende Flugzeugwerk den Namen Heinkel-Werke Oranienburg GmbH (HWO) zu tragen hatte. Am 10.03.1936 reichte Ernst Heinkel im Auftrag des RLM beim Regierungspräsidenten in Potsdam den Bauantrag für die Heinkel-Flugzeugwerke Oranienburg GmbH (HWO) ein. Zwei Monate später - am 04. Mai 1936 - erfolgte mit dem ersten Spatenstich die Umsetzung der Planung in die Tat. Die für die Jahre 1936 – 1939 veranschlagten Gesamtinvestitionskosten beliefen sich für die Errichtung und Ausrüstung des neuen Werkes auf rund 45,9 Mill. RM (Kostenplanung).
In der Rekordbauzeit von nur einem Jahr (04.05.1936 bis 04.05.1937) entstand dieses Werk im Germendorfer Forst (Werk I - Oberwerk) und auf den Luchwiesen entlang der Muhre zwischen Leegebruch und Oranienburg (Werk II - Unterwerk). Es galt als das modernste Flugzeugwerk zur damaligen Zeit und prägte bis zum Ende des Krieges nachhaltig die Wirtschaftsstruktur in der Region. Zahlreiche kleine und mittelständische Zulieferbetriebe aus dem Umland partizipierten nachhaltig von der Flugzeugproduktion. Acht typisierte Produktionshallen mit Gefolgschaftsgebäuden, eine Lagerhalle, ein zentrales Heizwerk, eine komplette Lehrwerkstatt mit Lehrgebäude, ein großes Verwaltungsgebäude, ein „Gesundheitshaus" mit Schwimmbad und Sportplatzanlage sowie zahlreiche kleinere Werkstattgebäude umfassten das Bauvolumen im Werk I, welches durch zwei weitere Fertigungshallen, ein weiteres zentrales Heizwerk, den kompletten Ausbau des Flughafens im Werk II und die bahnseitige Anbindung ergänzt wurde.
Für die Bürgermeister der Stadt Oranienburg sowie der Gemeinden Leegebruch und Germendorf war die Errichtung des Flugzeugwerkes ein willkommener Beitrag zur Sicherung einer zusätzlichen Einnahmequelle. Alle drei Orte partizipierten zukünftig erheblich von der sprudelnden Gewerbesteuer. Der zu leistende Steueranteil des Flugzeugwerkes wurde zu 50 Prozent an die Stadt Oranienburg und zu je 25 Prozent an die Gemeinden Leegebruch und Germendorf abgeführt. Ein relativ hoher Anteil von Facharbeitern prägte in der Anfangszeit das Bild der Flugzeugbauer im Flugzeugwerk der Heinkel-Werke GmbH Oranienburg. Sie rekrutierten sich vorrangig aus dem organisierten Zuzug von Arbeitskräften aus allen Teilen des Reiches – Westfalen, Rheinländer, Schlesier, Ostmärker, Saarländer, Sachsen, Hamburger. Neben den Bewohnern der Stadt Oranienburg und der umliegenden Region kamen aber auch aus der Reichshauptstadt Berlin zahlreiche Menschen zur Arbeit in das neue Flugzeugwerk, welches für eine Beschäftigungszahl von 8.000 bis 10.000 Mitarbeitern geplant wurde. Mit dem Scheitern der Blitzkriegsstrategie veränderte sich ab 1941 schlagartig der Personalbedarf in der deutschen Wehrmacht. Der sich aus diesem Sachverhalt ergebende erhöhte Rekrutierungsbedarf für das Militär schwächte den Personalbestand in der Rüstungsindustrie und führte zum umfassenden Einsatz von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen in allen Bereichen der Rüstungsindustrie. Bereits ab Ende 1941 ließ sich die Heinkel-Werke GmbH Oranienburg Häftlinge aus dem benachbarten KZ Sachsenhausen zuweisen.
Mit dem Bau des Flugzeugwerkes im Germendorfer Forst erwachte auch die kleine Landgemeinde Leegebruch aus dem Dornröschenschlaf und wuchs mit der Bautätigkeit für die Siedlungshäuser der Heinkel-Mitarbeiter innerhalb eines Zeitraumes von knapp zweieinhalb Jahren zur ersten Großsiedlung des Dritten Reiches heran. In diesem Zeitraum stieg die Einwohnerzahl von 350 auf fast 6.000 an. Insgesamt wurden in der Werkssiedlung unter Federführung des Architekten Hermann Mäckler aus dem Büro von Herbert Rimpl 1.206 Wohnungen als gefällige Einzel- und Doppelhäuser in Reihen- und Kettenbauweise sowie sechs Ledigenwohnheime in Geschoßbauweise für die „Gefolgschaftsmitglieder“ errichtet. Kennzeichnend für die Leegebrucher Werkssiedlung sind die gruppenweise trauf- beziehungsweise giebelständig angeordneten Einfamilienhäuser entlang der leicht geschwungenen Wege. Für die Siedlungshäuser typisch sind auch ihre spitzen, mit roten Dachziegeln gedeckten Dächer.